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Oechsle = Qualität?

Was bedeutet eigentlich „qualitativ hochwertig“?

 
Im deutschen Weingesetz ist Weinqualität untrennbar mit den sog. Öchslegraden verknüpft. Je höher die Oechsle, je höher der Zuckergehalt, desto besser die Weinqualität. Aber ist diese Logik wirklich richtig? Nur teilweise!

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff Oechsle? Hier eine kurze Erläuterung:
Grad Oechsle (abgekürzt °Oechsle oder °Oe; nach ihrem Erfinder Ferdinand Oechsle) ist eine Maßeinheit für das Gewicht des Traubenmostes. Die Grad Oechsle geben an, um wie viel Gramm ein Liter Most mehr wiegt als ein Liter Wasser bei genau 20°C. Zum Beispiel entspricht 1 Liter Traubenmost mit einem Gewicht von 1090g einem Wert von 90 Grad Oechsle. Es ist also eine Maßeinheit für das spezifische Gewicht des Traubenmostes. Im genannten Fall hätten wir Schwuppdiwupp eine Auslese. Denn mit diesem Prädikat darf sich jeder Wein aus den wichtigsten Rebsorten schmücken, sobald er 88°Oe erreicht hat.
Die vorhin genannten 90g mehr als ein Liter Wasser wiegt resultieren zum überwältigenden Teil aus gelöstem Zucker. In diesem Fall ca. 210g/L (Technologie der Weine). Weitere deutlich wertvollere Qualitätsmerkmale wie Säuren, Mineralstoffe, Aminosäuren, Phenole und Aromastoffe verteilen sich auf winzige ca. 13g/L und spielen somit bei der weinrechtlichen Kategorisierung faktisch keine Rolle. Hier ist die Traube erst reif, wenn Sie viel Zucker hat. Doch diese Eigenschaft kann man Reben anzüchten. Optima, Ortega, Reichensteiner sind fragwürdige Beispiele hierfür. Sie bringen Auslesen fast in jedem Jahr und Standort.

Wann ist die Traube denn nun „reif“?
Das hängt im Wesentlichen vom Jahrgang, dem Standort, dem Ertrag und vor allem dem Alter der Reben ab.
Infolge des Klimawandels nehmen die Häufigkeit und Intensität extremer Wetterereignisse zu. Dazu zählen Starkregen, Hitze-wellen, Dürren, Stürme usw. Ereignisse, die den deutschen Weinbau massiv beeinflussen. Gerät die Rebe in hochgradigen Wasserstress, geht das immer auf Kosten der Früchte, weil die Pflanze selbst überleben will.
Infolgedessen sinkt die Produktion der üblichen Photosyntheseprodukte -vor allem Zucker- zur Einlagerung in den Beeren. Im Resultat erntet man in solchen vermeintlichen Topjahren nur enttäuschend mit Zucker versorgte Traubenmoste. Zumindest nach der Logik des deutschen Weingesetzes. Dennoch vermag die Rebe eine gute physiologische Reife zu erzielen.
Mit diesem Terminus ist gemeint, dass Trauben weitgehend unabhängig von der vorhandenen Zuckerkonzentration viele andere, wertbestimmende Inhaltsstoffe (Pektine und Aminosäuren, Mineral- und Aromastoffe) aufweisen und in der Beerenhaut einlagern. Hier sei mir ein Verweis auf den 2023er Osterbrief erlaubt, wo das Thema intensiv behandelt wurde.

Dieser Zeitpunkt ist nicht nur beim Riesling von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich und kann bereits bei 75 Grad Oechsle oder, wie 2020, erst bei 85-90 Grad Oechsle erreicht werden.

Um dies verstehen zu können, muss man wissen, dass im überwiegenden Teil der deutschen Weinberge Reben stehen, die erst in den letzten 50 Jahren gezüchtet wurden und zum Schutz gegen die Reblaus auf resistente amerikanische Unterlagen gepfropft werden müssen.

Die Trauben dieser modernen Hochleistungsklone wurden auf einen möglichst hohen Ertrag- und Zuckerproduktion hochgezüchtet. Was sich unter anderem in einer sehr kompakten Traubenstruktur äußert. Sie erreichen die oben beschriebene physiologische Reife erst bei relativ hohen Mostgewichten. In unserem Weingut sind aber viele sehr alte, wurzelechte Reben im Anbau. Mit sehr kleinen, lockeren Träubchen und einem ursprünglich niedrigen Ertrag erreichen diese ihre physiologische Reife schon bei vergleichsweisen niedrigen Öchslegraden, bzw. begingen bereits relativ früh mit der Produktion dieser wertvollen Inhaltstoffe. Die Kraft dieser tief wurzelnden, alten Reben geht also weniger in den Zuckerertrag & Quantität, sondern mehr in die Aromaproduktion.

Man kann den Beginn der physiologischen Reife regelrecht sehen, riechen und schmecken:
Die anfänglich grünen Beeren werden leicht transparent. Im Sonnenlicht schimmern die Kerne durch, welche sich zunehmend gelblich/braun verfärben. Der vegetativ grasige Duft und Geschmack (grüner Apfel) verwandelt sich in eine reife Note, die an Pfirsich und Tropenfrucht erinnert. Zuletzt wird die spitz und grasig wirkende Säure zarter und feiner.
 
Dieses Wissen bestimmt in Abhängigkeit zum angestrebten Weinstil unseren Lesezeitpunkt.
So versuchen wir zur Produktion unseres quirligen leichten Riesling-FACIL mit seiner etwas „spitz“ wirkenden Säure genau den Eintritt in diese physiologische Reifephase zu erwischen. Oft liegt die Säure dann noch bei knackigen 10g/l, welche sich dann im laufe der Gärung durch Weinstein-ausfall auf das anvisierte Maß verliert.
10-14 Tage später werden dann die Träubchen zur Produktion der zart-eleganten Weine (ANTIK; DEVON; PROBUS) geerntet. Der einst aggressive, „grüne Apfel“  ist dann reifen, zarten, Pfirsich- und Tropenfruchtnoten gewichen. Das sich der Gärung anschließende 3–6-monatige Hefelager bringt dann die „drei Phasen“ von Säure, Frucht und Leichtigkeit in Einklang.

Völlig anders ist die Vorgehensweise bei der Produktion unserer Rotweine.
Rotweintrauben sind mehr auf Sonne und Wärme angewiesen. Diese brauchen schlichtweg mehr Fassbarkeit und Stoff, um die nötige geschmackliche Fülle und Rundung zu erreichen. Aber auch hier kann ein Zuviel des Guten Finesse und Eleganz zerstampfen. Viele südländischen „Alkoholbomben“ beweisen das eindrucksvoll.

Gerade unser Spätburgunder, auch Pinot-Noir genannt, ist eine Rebsorte, die unter geeigneten Bedingungen elegante und gehaltvolle Weine mit moderatem Alkohol hervorbringen kann. Unsere Schieferböden sind prädestiniert für solch elegante finessenreiche Rotweine.

Daher wagten wir in einem unserer besten Rieslinglagen -dem Neefer Fraunberg- 2010 den Anbau von speziellen Spätburgunderreben. Ich hörte damals aus dem Burgund von einem besonderen Klonensatz bestehend aus drei verschiedenen Spätburgunderklonen, welche in einem Weinberg in einem bestimmten Verhältnis einen sehr besonderen finessenreichen Spätburgunder hervorbringen sollen. 
Kurzerhand beschloss ich ins Burgund zu reisen und besorgte genau dieses Arrangement aus Pinot Noire Setzlingen. Diese wachsen jetzt im Neefer Frauenberg unter den typischen nicht ganz einfachen, kargen Bedingungen. Aber genau durch diesen leichten Daseinskampf der Reben offenbaren sie ihren wirklichen Charakter bzw. Finesse.
Ein permanenter thermischer Luftstrom begünstigt zudem eine gute Durchlüftung, wodurch der Infektionsdruck von Pilzkrankheiten in der Regel auf ein Minimum sinkt. Lange Verweilzeiten an der Rebe bis hin zur völligen physiologischen Ausreife mit guten Mostgewichten sind das Ergebnis. Dies, die zwei bis dreiwöchige Maischegärung und der anschließende zweijährige Ausbau in kleinen 220 Liter fassenden Barriquefässer sorgt für die gewünschte Tiefe und Fülle.
„Schiefer-Spätburgunder“ pur! Fruchtige Power gepaart mit mineralischer Eleganz:  Unser VALENTINIANUS; PROSIT! DER empfehlenswerte Rotwein zur festlichen Tafel!
Ein qualitativ hochwertiger Wein mit Charakter muss ihnen aber nicht unbedingt schmecken. Hier spielet der individuelle Geschmack die wichtigste Rolle. So können gerade die Kriterien, die ihrem Nachbarn gefallen genau die Kriterien sein die ihnen nicht gefallen. Qualitativ hochwertige Weine polarisieren oft stark. Im Prinzip gilt eine simple Logik: Ein guter Wein, ist der der dir schmeckt! … und bekömmlich sollte er sein. 
Prosit, 
Joachim Schumacher 

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